Rezension | Dunkelgrün fast Schwarz – wenn Freundschaft Gift ist

»Ein Zorn, den man nicht haben darf, der einem vom anderen aberkannt wird, ist kühl und blau und halbflüssig, er hat eine Konsistenz wie Pudding, füllt den Kopf aus und das Herz.«

– S.118

Dunkelgrün fast Schwarz | Mareike Fallwickl | August 2019 | Penguin Verlag | 480 Seiten

Wow! Was für ein Buch! Ganz lange war ich mir unschlüssig, ob ich es denn nun mag oder nicht. Und ganz ehrlich, so richtig sicher bin ich mir auch jetzt noch nicht. Die Geschichte hat es in sich, die Charaktere sind ungemütlich, aber die Erzählweise, die Sprache und die Bilder sind schlichtweg genial und ziehen einem so richtig in die Handlung rein. Aber mehr verrate ich euch in den nächsten Abschnitten.

Kurz zum Inhalt

Moritz und Raffael lernen sich als Dreijährige auf dem Spielplatz kennen. Moritz ist vor kurzem mit seiner Mutter Marie und der kleinen Schwester Sophie in ein österreichisches Bergdorf gezogen. Dort kennen sie niemanden und finden als die Zugezogenen auch nur schwer Anschluss. Bis sich die beiden Jungs auf dem Spielplatz kennen lernen. Von nun an sind sie unzertrennlich.
Doch was eine unbeschwerte Freundschaft sein sollte, zeigt schnell seine Schattenseiten. Raffael ist dominant, schikaniert seine Mitschüler*innen und macht auch vor seinem besten Freund nicht halt, den er zwingt, trotz allem an seiner Seite zu bleiben. Moritz ist sich dessen durchaus bewusst, kann sich aber nicht aus Raffaels Fängen befreien. Erst die neue Mitschülerin Johanna bringt eine neue Dynamik in dieses Duo. Sie scheint nämlich gegen Raf’s Charme immun zu sein. Oder etwa doch nicht?

»Kommst du mit mir«, sagte er leise, eindringlich, es war keine Frage.
»Kommst du mit mir«, wiederholte er, und Motz wusste, er würde überall hingehen mit Raf, hinein ins Dunkel, hinaus ins Ungewisse, über seine Grenzen, überall, überall. 

– S.120

Kein Wohlfühlbuch

Eines ist mir bereits nach wenigen Seiten der Lektüre klar, Dunkelgrün fast Schwarz wird kein Wohlfühlbuch. Diese Geschichte kratzt und beisst und zwickt und ruft Gefühle in einem hervor, die man eigentlich lieber nicht haben möchte. So erging es jedenfalls mir und wenn ich andere Rezensionen durchlese, bin ich damit nicht alleine.
Diese Freundschaft der drei – wenn man sie denn so nennen möchte – ist schmerzhaft und quälend und fordert von uns Leser*innen eine Menge. Wir müssen nämlich ertragen, was Moritz lange Zeit ertragen hat und eigentlich bis zum Finale erträgt. Oder mitfühlen, wie es Johanna mit Raffael ergeht und wie sehr diese „Beziehung“ ihr ganzes Leben bestimmt.
Und das ist nicht schön. Manches Mal war ich nahe dran, das Buch in die Ecke zu pfeffern und meine Wut über die Protagonisten laut hinaus zu schreien.

Differenzierte aber unbequeme Charaktere

Eines muss man den Protagonisten in diesem Buch lassen. Sie werden unglaublich facettenreich und differenziert gezeichnet. Keiner will so recht in die Schublade passen, die auf den ersten Blick für ihn gedacht ist. Raffael der Selbstbewusste und Charmante? Ja schon, aber da lauert auch etwas Zerstörerisches und Dominantes hinter seinen blauen Augen. Und Moritz ist nicht einfach nur das Anhängsel von Raffael, er ist sanftmütig und künstlerisch äusserst talentiert. Und aus Johanna werde ich bis zum Schluss nicht richtig schlau.
Etwas haben sie alle aber auch gemeinsam und zwar, dass sie mir zutiefst unsympathisch waren. Das mag auch an der Dreierkonstellation liegen, konnte ich doch nie ganz nachvollziehen, weshalb sich Moritz und auch Johanna Raffael derart unterordneten. Oder auch wie Marie es nicht schafft, ihren Sohn vor Raffaels Verhalten zu schützen, dass sie relativ schnell durchschaut. Diese Passivität brachte mich beinahe an den Rande des Wahnsinns. Ich wartete und wartete auf Gegenwehr, auf einen Ausbruch, der erst ganz spät kommt. Aber wahrscheinlich ist es genau dieses Warten, dieses qualvolle Miterleben, dass mitunter den Reiz dieses Romans ausmacht.

»Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkle schubsen.«

– S. 302

Mareike Fallwickl zeigt mit ihrem Roman, dass Freundschaft nicht immer nur gut tut, dass es befreiend sein kann, sich von gewissen Menschen zu lösen. Und dass man insbesondere Freundschaften hinterfragen darf und soll, denn allzu oft streben die Persönlichkeiten im Laufe der Zeit doch stark auseinander. Und Freundschaft sollte doch etwas aufbauendes, bestärkendes sein. Für alle und nicht nur für den einen.

Sprachlich wunderschön

Die Geschichte der drei „Freunde“ wird auf unterschiedlichen Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven erzählt. So ergibt sich ein rundes Gesamtbild, da einige Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert werden. Und das ist keineswegs langweilig, da immer wieder neue Gedanken und Erkenntnisse dazu kommen.
Als besonders faszinierend empfand ich das Farbenspiel, welches Moritz umgibt. Die Autorin bringt dies auch äusserst lebendig und bildhaft zu Papier. So wird Unausgesprochenes plötzlich sichtbar und Gefühle erfühlbar. Das hat mich richtig gepackt. Aber auch Abseits der Synästhesie zeigt die Autorin, dass sie ein Talent für Worte und Bilder besitzt. Ich wollte gar nicht mehr aufhören, mir Zitate zu markieren. Auf beeindruckende Weise wird hier mit Bildern und Vergleichen jongliert, die nichts beschönigen oder verherrlichen. Das Buch ist in gleicher Weise berührend, wie es knallhart und direkt ist.

»Keine Liebe war einsamer als jene, die unerwidert blieb. Und in diesen Augenblicken zwischen Nacht und Morgen, zwischen Rausch und Nüchternheit, fiel ihr das auf, weil es ihr dann nicht gelang, sich zu belügen.«

– S. 276

Fazit

Mit Dunkelgrün fast Schwarz hat Mareike Fallwickl ein Buch geschrieben, dass es mir nicht einfach macht, es in eine Kategorie einzuordnen. Denn es ist ungemütlich, trifft aber gleichermassen ins Herz, wie auch in die Magengrube. Es zu lesen erfordert Kraft und Durchhaltewillen, beschenkt einem aber auch mit unglaublich schönen und tiefgehenden Zitaten. Ich kann durchaus verstehen, wenn jemand nicht die Kraft aufbringen will oder kann, es zu lesen, denn die Beziehungen sind nach heutigem Jargon toxisch und zerstörerisch. Allerdings macht das irgendwie auch den Reiz des Romans aus, denn man möchte lesen, wie es den drei „Freunden“ ergeht, wann nun endlich der grosse Knall kommt und ob es sich dann zum Guten wendet.

Weitere Meinungen

»Dunkelgrün fast Schwarz“ von Mareike Fallwickl trifft Leser*innen in die Magengrube. Der Roman ist ein seelischer und emotionaler Kraftakt, der einen nicht zur Ruhe kommen lässt. Er zeigt menschliche Abgründe und wie man sich daraus wieder befreien kann. Faszinierend geschrieben und fesselnd bis zum Ende.«Buchstabenträumerei

»Wer mal wieder ein Buch lesen möchte, das auf allen Ebenen fordert, ein Wechselbad der Gefühle durchleben lässt, brillant geschrieben ist, mit grandiosen Figuren aufwarten kann, schlaflose Nächte beschert und mich auf allen Ebenen begeistert hat, dann sollte man zu diesem greifen. Kaufen! Lesen! Begeistert sein!«Die Liebe zu den Büchern

»Chapeau, Mareike Fallwickl. Ganz, ganz großes Kino! Ich hoffe und wünsche mit sehr, dass noch weitere Romane folgen werden. Und liebe Leser, kauft Euch dieses Buch und begebt Euch auch auf eine Reise nach Hallein – Ihr werdet es sicher nicht bereuen.« BücherKaffee


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2 Antworten zu “Rezension | Dunkelgrün fast Schwarz – wenn Freundschaft Gift ist”

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