Rezension | Zugvögel – aus Liebe zur Erde

Meine Augen brennen. »Nein«, sage ich, und dann erkenne ich die tiefe, furchtbare Fessel als das, was sie ist, ich kenne ihr Gesicht, weiss ihren Namen, denn es ist gar keine Fessel, es ist Liebe, und womöglich ist das ja ein und dasselbe.

aus “Zugvögel“, S. 235

Zugvögel | Charlotte McConaghy | Oktober 2021 | aus dem Englischen von Tanja Handels | S. Fischer Taschenbuch | 400 Seiten

Endlich habe ich wieder einmal ein Buch gelesen, dass mich absolut umgehauen hat. Die Geschichte von Franny hat mich tief bewegt und ganz und gar in ihren Bann gezogen, ein Lesehighlight. Und nun warte ich gespannt auf das neue Buch von Charlotte McConaghy, welches ja bereits Ende März erscheinen soll. Ich glaube, ich habe einen neue Lieblingsautorin entdeckt. 

Kurz zum Inhalt

Franny ist auf der Suche nach einem Schiff, dass sie von Grönland aus mit nimmt Richtung Süden. Sie möchte nämlich den Küstenseeschwalben – den letzten ihrer Art – auf ihrer Reise in die Antarktis folgen. So landet sie auf der „Saghani“, einem der letzten Fischerboote und tuckert mit dem Kapitän und der gesamten Crew Richtung Süden. Denn so selten wie die Vögel am Himmel sind auch die Fische im Meer. Und so hofft die Crew mit Hilfe der Küstenseeschwalben den Fang ihres Lebens zu machen.
Je weiter sich das Boot Richtung Süden bewegt, desto mehr erfahren wir über Frannys Geschichte und den Zustand der Erde, in der das Artensterben bereits weit fortgeschritten ist.

Die Liebe zur Natur und den Wildtieren

Ich sage es gerne noch einmal, dieses Buch hat mich ganz und gar geflasht. Ich war begeistert vom Aufbau der Geschichte, der sich über mehrere Zeitebenen erschliesst.
In der Gegenwart leben die Menschen in einer dystopischen Welt in der bereits viele Wildtiere ausgestorben sind oder nur in speziellen Schutzreservaten überleben konnten. Dieses Schicksal droht nun auch den Vögeln. Und da den Zugvögeln Schutzreservate herzlich wenig helfen, will nun Franny die letzten Küstenseeschwalben auf ihrer Reise in die Antarktis begleiten.
Immer wieder dürfen wir Leser*innen aber auch in Frannys Vergangenheit eintauchen und erfahren so viel aus ihrer Kindheit, wie sie ihren Ehemann kennen gelernt hat oder wie es sie immer wieder fort zieht.
In all diesen Zeilen ist ganz viel Liebe zur Natur und vor allem den verschwindenden Wildtieren zu lesen. Charlotte McConaghy vermag mit ihrem aufregenden „Nature Writing“ zu packen und die Leser*innen tief eintauchen zu lassen in diese dystopische Welt, die gar nicht so fern scheint. So wird das Buch beinahe zu einem Appell an das eigene Gewissen, sich mehr für den Artenschutz einzusetzen.

Das Herz klopft mir bis zum Hals, als ich zusehe, wie Ennis neben der Schildkröte niederkniet und unendlich behutsam ihren Kopf und ihre Beine befreit. Sie schnappt nach ihm, dabei ist er doch sanft, so sehr darauf bedacht, sie nicht zu verletzen. Einmal sehe ich, wie er die Hand auf den schweren Panzer legt, ihn liebevoll streichelt.
»Was machst du denn auch so weit im Norden, Mädchen?«, fragt er leise.

aus „Zugvögel“, S. 124-125

Traurig schön

Getragen wird die Geschichte von einer sanften Melancholie, einem traurig schönen Unterton und ist immer wieder von wunderschönen Sätzen und Zitaten durchzogen. Trotz des ernsten Themas und dieser Melancholie gab mir die Geschichte ein wohlig warmes Gefühl im Bauch und ich habe mich auf meine abendlichen Leseeinheiten gefreut.
Denn auch wenn vieles schon im argen liegt und nur noch wenige Wildtiere die Erde bevölkern, noch gibt es Hoffnung, noch hat es der Mensch in der Hand, wie seine Zukunft aussieht. Vor allem durch Frannys Hartnäckigkeit und Kompromisslosigkeit werden wir immer wieder daran erinnert, selbst viel mehr für die Natur zu tun. Noch ist es nicht zu spät.

Die Protagonisten von Charlotte McConaghy sind alles andere als einfach und gewöhnlich. Sie sind auch nicht unbedingt sehr liebenswert. Ich würde sie eher als sehr eigen und skuril beschreiben. Besonders die Besatzung der „Saghani“ wurde vom Leben gezeichnet und jeder hat da sein Päckchen zu tragen. Und auch alles, was wir aus Frannys Vergangenheit erfahren, ist nur schwer zu ertragen. Und trotzdem schliesst man sie alle ins Herz, leidet und freut sich mit ihnen.

Fazit

Mit Zugvögel hat Charlotte McConaghy ein atmosphärisches Buch mit einzigartigen Protagonisten geschrieben. Wer sich auf nicht ganz einfache Charaktere, eine unvergesslich starke Liebe und eine grosse Hingabe zur Natur einlassen kann, der wird mit einer mitreissenden Geschichte belohnt, die noch lange nachhallt. Für mich ist diese Geschichte ganz klar ein Lesehighlight und ich freue mich auch schon auf den neuen Roman der Autorin.

Weitere Meinungen

»Der Roman ist rau und kühl, die Orte der Handlung unwirtlich. Die Protagonistin ist so unfassbar stark und gleichzeitig so zerbrechlich – wie eine Küstenseeschwalbe, die so stark ist und von allen Zugvögeln den weitesten Weg zurücklegt und doch den Stürmen über dem Meer schutzlos ausgeliefert ist. Das Buch ist nicht „schön“ aber großartig – auf so viele Arten!« Lesetiefe

»Letztlich ist das Buch, das Tanja Handels aus dem Englischen übertragen hat, eine Hommage an die Natur, vor allem an die raue Welt der Küsten, des Meeres und der dort lebenden Vögel. Es ist auch eine Abmahnung an alle Lesenden, die Natur, wo wir es nur können, zu schützen. Und das Buch hat eine mutmachende Moral.« Studiere nicht dein Leben

»Atmosphärisches Erzählen trifft hier auf vielschichtige Charaktere, deren emotionale Offenbarungen im Laufe der Geschichte mich berührt haben. Mir hat „Zugvögel“ ausgesprochen gut gefallen, sodass ich eine klare Leseempfehlung gebe!« Buchsichten


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4 Antworten zu “Rezension | Zugvögel – aus Liebe zur Erde”

  1. Liebe Daniela

    Das Buch ist schon sehr lange auf meiner Wunschliste und ich hoffe sehr, dass ich bald dazu greifen kannst. Du lässt die traurig-schöne Stimmung in deiner Rezension richtig aufleben und hast mich ernuet sehr, sehr neugierig gemacht auf diese Geschichte.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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