Rezension | Der Gesang der Flusskrebse – von der Natur, der Liebe und dem Leben

»Tatsache ist nun mal, dass Liebe oft Schiffbruch erleidet. Aber selbst wenn sie scheitert, verbindet sie dich mit anderen, und letzten Endes ist alles, was wir haben Verbundenheit

– S.304

Delia Owens | Der Gesang der Flusskrebse | aus dem Amerkianischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann | Juli 2019 | Hanserblau | 464 Seiten

Nicht alles, was lange auf dem Bücherstapel liegt, wird schlussendlich auch gelesen. Und nicht alles, was gelesen wird, überzeugt. Umso schöner ist es, dass ich nicht nur nach langer Zeit noch Lust verspürte, Der Gesang der Flusskrebse zu lesen, sondern dass es auch ein Buch ist, dass überzeugt, dass packt, einem mitleiden lässt und auch sprachlich ein tolles Leseerlebnis ist.

Darum geht’s

Das Leben im Marschland ist hart. In der wilden und abgeschiedenen Sumpflandschaft in North Carolina leben nur jene, die von der Gesellschaft verstossen wurden. Auch Kya lebt in den 50er Jahren mit ihren Eltern und Geschwistern in Mitten dieser unberührten Natur. Das Leben ist hart, das Geld knapp und Arbeit gibt es nur wenig. Dafür umso mehr Wutausbrüche und Schläge des trinkenden Vaters. Eines Tages flieht Kyas Mutter aus dieser erdrückenden Perspektivlosigkeit mit dem kleinen Koffer und ihren Krokoschuhen. Bald darauf machen sich auch Kyas älterer Bruder Jodie und ihre anderen Geschwister aus dem Staub. Zurück bleiben der Vater, Kya und die Frage, warum niemand das kleine Mädchen mitgenommen hat. Als kurz darauf auch der Vater nicht mehr nach Hause zurück kehrt, bleibt Kya mutterseelenallein in der Hütte in der Marsch zurück. Doch wie kommt ein siebenjähriges Mädchen alleine zurecht?

Die Natur, die Liebe und das Leben

Irgendwie entzieht sich dieses Buch allen gängigen Kategoriesierungen. Es ist ebenso ein Roman, wie es eine Coming-of-Age Geschichte ist. Ein Kriminalfall wird darin ebenso thematisiert, wie die grossartige und vielfältige Flora und Fauna der Marsch.
Und genau diese Landschaft und Naturbeschreibungen nehmen einen grossen und bedeutenden Teil in Delia Owens Buch ein. Als Leser*in erleben wir die Marsch wie durch ein Mikroskop, erfahren Einzelheiten zum Paarungsverhalten verschiedener Insekten, lernen die einzelnen Federn der heimischen Vögel kennen und betrachten fasziniert, wie sich das Sumpfgras im Wind wiegt. Wie ein ruhender Pol zeiht sich die Marsch durch die Geschichte und wird zu Kyas Retterin. Die Flucht in die Natur zieht sie aus ihrer Einsamkeit und der Trostlosigkeit ihres Lebens. Mit ihrem kleinen Boot fährt sie durchs Marschland und beobachtet alles, Fische, Vögel, Pflanzen und Muscheln. Sie beginnt diese Dinge zu sammeln, zeichnet sie und wird so zu einer Expertin für die Marsch.

Mit Kya, dem Marschmädchen, hat Delia Owens eine ganz besondere Protagonistin geschaffen. Wir begleiten sie über Jahre hinweg und erleben so mit ihr zusammen, welche Steine ihr das Leben in den Weg wirft. Die Ungerechtigkeiten, die sie erleben muss, liessen mich oft sprachlos zurück, weckten aber auch den Wunsch, sie zu beschützen und in den Arm zu nehmen. Ab einem gewissen Punkt, wollte ich gar nicht mehr weiter lesen, weil ich fürchtete, was für das Marschmädchen noch kommen würde. Gleichzeitig ist Kya aber nicht hilflos, sondern meistert ihr Leben und findet ihren Weg. Dabei ist die Marsch ihr Rückhalt, in ihr findet sie Ruhe und Zufriedenheit.

»Manchmal hörte sie nachts Geräusche, die sie nicht kannte, oder erschrak sich, wenn Gewitterblitze zu nah waren, doch wenn sie stolperte, war da immer das Land, das sie auffing. […] Kya legte ihre Hand auf die atmende nasse Erde, und die Marsch wurde ihr zur Mutter.«

– S.49-50

Aber wie bereits angetönt, ist dieses Buch nicht nur die Geschichte von Kyas Leben in der Marsch, gleichzeitig wird auch ein Kriminalfall behandelt. Auf zwei Erzähl- und Zeitebenen verfolgt die Autorin diese beiden Geschichte zunächst unabhängig voneinander, allerdings nähern sich diese kontinuierlich an, bis sie sich vereinen. Das gibt der ganzen Handlung eine grosse Vielschichtigkeit und Komplexität. Die Leser*innen können die Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln beobachten und die ganz eigenen Schlüsse ziehen.
Und wie in so vielen Romanen birgt auch Der Gesang der Flusskrebse eine Liebesgeschichte und erst noch eine ziemlich verworrene. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass sie sonderlich im Vordergrund stünde oder besonders detailliert erzählt ist. Es bleibt viel Raum für eigene Spekulationen und Gefühle, aber sie ist auch untrennbar mit dem Kriminalfall verbunden und darum wichtig für die Geschichte.

Ein besonderes Augenmerk möchte ich auch kurz auf die Sprache dieses wunderbaren Romans werfen. Delia Owens schreibt sehr poetisch und bildhaft. Für manch einen mögen die Naturbeschreibungen schon beinahe verklärt oder verkitscht wirken, mich haben sie abgeholt und machen das Besondere dieses Romans aus.
Einziger Wehmutstropfen ist dann doch das Ende, welches für mich zu sehr auserzählt wurde und durch das auch ein wenig kitisch wirkt. Als hätte die Autorin unbedingt ein Happy End schreiben wollen, was es meiner Meinung nach so aber nicht gebraucht hätte.

Fazit

Das Warten hat sich für mich gelohnt. Der Gesang der Flusskrebse kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Innerhalb weniger Tage, habe ich dieses wunderbar zarte und gefühlvolle Buch verschlungen, mit Kya mitgefühlt und gelitten und am Ende gar ein paar Tränchen vergossen. Es war eine wunderbare Lektüre über das Erwachsen werden, über Freundschaft, die erste Liebe und die grandiose Natur in der wir Leben. Für mich gibt es eine ganz grosse Leseempfehlung!

Weitere Meinungen

»Wer nach gelungener Unterhaltung an der Seite einer wildstarkschönen weiblichen Protagonistin, in einer außergewöhnlichen und atmosphärisch dichten Landschaftsszenerie sucht, wird sie in diesem Buch finden.«Wortgelüste

»Für mich ist „Der Gesang der Flusskrebse“ eine unglaublich magische Geschichte mit zauberhaften Beschreibungen einer wunderschönen Natur, ein Drama und Liebesgeschichte zugleich und ganz sicher eines meiner Highlights in diesem Lesejahr.«Die Liebe zu den Büchern

»Von mir gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung und “Der Gesang der Flusskrebse” scheint ein guter Anwärter für meine Lesehighlights 2020 zu sein – für euch vielleicht auch.«Isas Bücherblog


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3 Antworten zu “Rezension | Der Gesang der Flusskrebse – von der Natur, der Liebe und dem Leben”

  1. Liebe Daniela

    Das Buch ist auch schon seit dem Hype auf meiner Wunschliste und ich hoffe, dass ich bald Platz dafür schaffen kann. Schliesslich wollen die kleinen unabhängigen Buchhandlungen ein wenig unterstützt werden :-)

    Alles Liebe und vielen Dank dir fürs Erinnern
    Livia

    Gefällt 1 Person

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