Rezension | Der Uhrmacher in der Filigree Street – ein phantastisches Abenteuer

»Es war eines zu wissen, dass der Mann klug war, etwas anderes aber zu erleben, wie er diese Klugheit anwandte. Wenn es sie nicht selbst betroffen hätte, hätte sie die Strategie dahinter bewundert.«

– Seite 369

Der Uhrmacher in der Filigree Street | Natasha Pulley | aus dem Englischen von Jochen Schwarzer | Klett-Cotta | September 2021 | 432 Seiten

London im Oktober 1883.
Thaniel Steepleton ist Telegrafist im Innenministerium. Als er eines Abends in seine Mietwohnung heimkehrt, findet er auf seinem Kopfkissen eine goldene Taschenuhr. Es ist ihm ein Rätsel, was es mit ihr auf sich hat und wie sie in seine Wohnung gelangen konnte.
Ein halbes Jahr später wird Thaniel gerade noch rechtzeitig von eben dieser Uhr gewarnt, bevor eine Bombe in Scotland Yard hochgeht. Nun macht er sich auf die Suche nach dem mysteriösen Uhrmacher aus der Filigree Street und findet Keita Mori, einen freundlichen, aber einsamen Mann aus Japan. So harmlos Mori auch scheint, eine Kette von unheimlichen Ereignissen deutet schon bald darauf hin, dass er etwas zu verbergen hat …

Zwischen Hui und Pfui

Zugegeben, so ganz schlau wird man aus dem Klappentext ja nicht und durch den eher gemächlichen Start der Geschichte, weiss man auch ganz lange nicht, auf was man sich da eigentlich eingelassen hat. Glücklicherweise ist da Thaniel, der ein ganz angenehmer Zeitgenosse zu sein scheint. Ruhig und gewissenhaft erledigt er seine Arbeit und kümmert sich aus der Ferne um seine Schwester. Allerdings spürt man als Leser*in, dass auf ihn doch noch das ein oder andere Abenteuer zukommen wird. Diese nehmen denn auch mit der mysteriösen Taschenuhr ihren Anfang. Und als Thaniel dann als unfreiwilliger Spion bei Mori einzieht, geht es so richtig los.
Thaniel und Mori im Wechselspiel erlebte ich als Highlights in diesem Roman. Mit seinen mechanischen Erfindungen bringt Mori eine gute Portion Steampunk in diesen Roman (heimlicher Held ist der kleine mechanische Oktopus Kazu) und seine übernatürlichen Fähigkeiten sorgen für die gewisse Prise Magie. Dass Thaniel ihn eigentlich ausspionieren und als Bombenbauer entlarven sollte, macht das ganze richtig unterhaltsam und bringt tolle Krimielemente in die Geschichte rein.
Gerne verzichtet hätte ich jedoch auf den Erzählstrang rund um Grace. Ich mochte sie von Beginn an nicht, fand sie aufdringlich, unfreundlich und egoistisch. Für sie zählen nur ihre physikalischen Experimente, alles andere ist nebensächlich. Und genau so geht sie auch mit ihren Mitmenschen um. Ich kann verstehen und anerkennen, dass sie berechtigte Zweifel an Mori in die Geschichte mit rein bringt und somit einen Gegenpart einnimmt. Mögen muss ich sie deswegen aber noch lange nicht.

Irrungen, Wirrungen & ein fragwürdiger Stimmungswandel

Zu Beginn ist die Geschichte richtig gut durchdacht und auch logisch erzählt, allerdings verliert sich das etwa ab der Hälfte des Buches. Irgendwann nämlich werden Moris Fähigkeiten immer abstruser ohne dass Erklärungen folgen würden (oder warum kann er auf einmal das Wetter beeinflussen?). Und einige Charaktere stellen sich als Platzhalter heraus, denen man gerne bessere Rollen und Aufgaben zugedacht hätte. Und was hat Thaniels Synästhesie eigentlich noch einmal mit der Geschichte zu tun? Ach genau, nichts.
Was mich aber ein wenig Schade dünkte, war dann doch der signifikante Stimmungswandel, der sich in der Geschichte vollzog. Aus einem mystischen Abenteuer in der viktorianischen Zeit wurde ein romantisch, ödes Etwas, was mit den ganzen Steampunk- und wissenschaftlichen Elementen kollidierte. Das etwas abstruse Happy End für alle Beteiligten konnte die Geschichte auch nicht mehr retten.

Fazit

Der Uhrmacher in der Filigree Street legt einen soliden Start hin und punktet mit einer grossen Bandbreite an Figuren. Die einen sind zum liebhaben und mitfiebern und auf andere könnte man getrost verzichten. Auch die Steampunk Elemente mögen zu überzeugen und über weite Strecken punktet auch der wissenschaftliche Teil , sowie die Krimielemente.
Nach etwa der Hälfte der Geschichte dreht sich jedoch die Grundstimmung des Buches und das ganze zwischenmenschliche Kuddelmuddel nimmt überhand. Und auch die Logik scheint irgendwo unterwegs abhanden gekommen zu sein. So hat mich das Buch dann leider ein wenig verloren.

Weitere Meinungen

»Die Geschichte um den Uhrmacher aus der Filigree Street verlief ganz anders, als ich erwartete hatte. Dennoch begeisterte sie mich mit ihren Figuren, den Fähigkeiten und den Story-Elementen.« – The librarian and her books

»Brillant, atemberaubend und ergreifend. Dieses phantastische Debüt darf man auf keinen Fall verpassen.« – Bellas Wonderworld


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