Herzensbuch #5 | Wie einer alle an der Nase herum führt

Wir alle haben sie. Bücher, die uns den Atem rauben, die uns träumen lassen und von denen man sich wünscht, sie würden nie enden. Absolut geniale Meisterwerke, die wir immer wieder lesen können und allen und jedem empfehlen, ob er oder sie es hören will oder nicht. Ganz klar, ich spreche von Herzensbüchern.
Genau zu diesen besonderen Geschichten haben sich Janika und Sabrina eine kleine Aktion ausgedacht. Immer am 20. jeden Monats stellen sie in kurzen, knackigen Worten eines ihrer absoluten Lieblingsbücher vor, in der Hoffnung, dass sich diese Liebe verbreitet und solche wunderbaren Bücher mehr Aufmerksamkeit bekommen Diese dürfen auch gerne schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben.

Im Juni stelle ich euch eine Geschichte vor, von der ich nicht nur das Buch mag, sondern auch den Film absolut gelungen finde.

Patricia Highsmith – Der talentierte Mr. Ripley

Oh wie liebe ich dieses Buch und den Film von Anthony Minghella! Ich weiss noch, wie ich vor beinahe 20 Jahren den Film das erste Mal gesehen hatte und mir kurz danach in der Buchhandlung das Buch von Patricia Highsmith kaufte. Schnell war es gelesen und ebenso schnell fing ich wieder von vorne an. Die Geschichte hat ihr ganz eigenes Flair und packt mich immer wieder.

»Toms Hände schlossen sich um das Geländer, als wäre es Freddies Hals. Dann hörte Tom Freddies Schritte, Freddie stürmte die Treppe hoch. Tom ging in die Wohnung zurück und schloss die Tür. Er konnte weiterhin dabei bleiben, er wohne nicht hier, Dickie sei im Otello oder er wisse nicht, wo Dickie sei, aber Freddie würde jetzt nicht eher rasten, bis er Dickie gefunden hatte.«
– aus „Der talentierte Mr. Ripley, S. 162

Der Grossteil der Handlung spielt sich im Italien der 50er Jahre ab. Und irgendwie denkt man da unweigerlich an Vespas, Fiat 500 und die Strände von Rimini und San Remo mit ihren bunten Sonnenschirmen. Vielleicht ist meine Wahrnehmung diesbezüglich auch etwas getrübt, da ich wie gesagt zuerst den Film gesehen und dann das Buch gelesen habe, aber die Handlung passt für mich einfach perfekt in diese Zeit und an diesen Ort.
Tom Ripley wird von Richard Greenleaf sen. nach Italien geschickt mit dem Auftrag, dessen Sohn Dickie zu einer Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu bewegen. Dieser denkt jedoch nicht daran, lebt er doch gemütlich mit seiner Freundin in einem kleinen italienischen Dörfchen an der Küste und geniesst sein sorgenfreies Leben. Tom bewundert ihn für seinen Lebensstil, kleidet sich immer ähnlicher und übernimmt sogar einige seiner Angewohnheiten. Irgendwann wird das Dickie natürlich zu viel und er findet, Tom solle jetzt so langsam wieder abreisen. Für Tom bricht eine Welt zusammen und um nicht in sein früheres, ödes Leben zurück kehren zu müssen, beschliesst er, Dickie zu ermorden und in seine Rolle zu schlüpfen.
Neben dem ganzen italienischen Flair und den 50er Jahre Vibes mag ich besonders zwei Dinge an diesem Buch, die Hauptfigur Tom Ripley und die Art und Weise, wie er alle an der Nase herum führt.
Betrachtet man Tom von aussen, so ist er der absolute Durchschnittstyp, nicht zu gross, nicht zu klein, schön unauffällig also. Das interessante an ihm, ist sein Charakter. Er besitzt nämlich das grosse Talent, jedem in seinem Umfeld genau das zu sagen, was er Herzensbuch_1hören möchte und das mitunter in so lebhaften und bunten Geschichten zu erzählen, dass man es einfach glauben muss. Dieses Talent setzt er zudem sehr berechnend ein, wägt die Vor- und Nachteile ab und handelt kaltblütig und schnell.  Liest man das, denkt man sich:“Was für ein unsympathischer Kerl!“ Liest man allerdings das Buch, so steht man hinter der Hauptfigur, fiebert mit ihr mit und hofft, dass sie nicht geschnappt wird. Tom Ripley ist – obwohl er der Mörder ist – ein absoluter Sympathieträger. Patricia Highsmith porträtiert ihn als einen von uns, als Durchschnittstypen, als Mensch mit Stärken, Schwächen und Gefühlen, die ihn sympathisch wirken lassen. Mord und Totschlag können sich auch hinter der Fassade des Normalen verbergen.
Und dann ist da noch das ganze Ding mit der Spannung. Patricia Highsmith komponiert das ganze (Lügen-) Konstrukt um Tom Ripley so geschickt, dass es immerzu auf Messers Schneide steht. Als Leser*in rechnet man jederzeit damit, dass Tom entlarvt und für seine Taten bestraft wird. Doch immer wieder schafft er es, seine Mitmenschen um den Finger zu wickeln und seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.


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7 Antworten zu “Herzensbuch #5 | Wie einer alle an der Nase herum führt”

  1. Liebe Daniela!
    Ich muss gestehen, ich kenne zwar den Titel des Buches (und natürlich des Films) aber ich kann mich gar nicht daran erinnern, ob ich ihn wirklich jemals wenigstens gesehen habe. :o Scheinbar ist mir da total was durch die Lappen gegangen. Noch viel lieber will ich nun allerdings das Buch lesen, da hast du mich wirklich neugierig gemacht! ♥

    Sonnige Grüße!
    Gabriela

    Gefällt 1 Person

  2. Liebe Daniela

    Wie schön, dass du dieses Mal auch wieder dabei bist und wie schön, was du dir diesen Monat als Herzensbuch ausgesucht hast. Ich habe das Buch bisher nicht gelesen, bin aber auch ein riesiger Fan des Films. Als er erschien, war ich noch etwas klein und habe ihn erst deutlich später gesehen, aber er hat mich auch sehr beeindruckt. Vielleicht also ein Zeichen, dass ich dem Buch auch eine Chance geben sollte? :)

    Alles Liebe
    Janika

    Gefällt 1 Person

  3. Liebe Daniela

    Ich habe bisher weder das Buch gelesen, noch den Film gesehen, obwohl beides eigentlich wirklich schon lange einmal getan werden müsste…

    Danke für die Erinnerung, der SuB soll so oder so bald einmal mit wichtigen Büchern aus den Empfehlungen anderer Büchermenschen aufgestockt werden, das Buch kommt also definitiv auf die Liste :-)

    Alles Liebe
    Livia

    Gefällt 1 Person

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