»Da draussen wird es immer schlimme Dinge geben. Aber das Erstaunliche ist – Licht siegt über Dunkelheit, jedes Mal. Man kann eine Kerze ins Dunkel halten, aber man kann das Dunkel nicht ins Licht halten.«
– S. 407
Das Herz ihrer Tochter | Jodi Picoult | aus dem Amerikanischen von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel | Oktober 2010 | Piper | 460 Seiten
Phu! Was für ein Buch! Und das meine ich jetzt nicht unbedingt im positiven Sinne. Gelesen habe ich die Geschichte zusammen mit Livia vom Blog Samtpfoten mit Krallen und Melli vom Blog Mellis Buchleben sowie Julia und Ina in einer Leserunde und wären die Mädels und unsere tolle Diskussion nicht gewesen, so gäbe es diese Rezension heute nicht, weil ich das Buch nämlich nicht fertig gelesen hätte (was auch kein allzu grosser Verlust gewesen wäre).
Kurz zum Inhalt
Das Herz eines Mörders für das Leben ihrer Tochter.
June Nealon war eine glückliche Frau. Bis Shay Bourne in einem einzigen Augenblick ihrem Glück ein Ende bereitete. Für den Mord an ihrem Mann und ihrer ersten Tochter erwartet Bourne nun die Todesstrafe. Doch mit einer ungeheuerlichen Tat will er das Leben ihrer zweiten Tochter retten und alles wieder gutmachen. (Quelle: Piper)
„The Green Mile“ & das Geschwätz vom neuen Messias
Wo soll ich nur beginnen? Es gibt so vieles, dass ich zu diesem Buch zu sagen hätte und nur ganz wenig davon fällt positiv aus. Viel zu viel hat mich gestört oder liess mich die Augen rollen.
Das erste, was mir während der Lektüre ins Auge gesprungen ist, war die Ähnlichkeit zu „The Green Mile“ von Stephen King. Shay Bourne ist zwar nicht der sanfte Riese John Coffey, aber auch er kann scheinbar Wunder vollbringen. So wird Wasser auf wundersame Weise zu Wein, ein Aidskranker Mithäftling scheint geheilt und das kleine Vögelein, dass aus dem Nest gefallen ist, wird von den Toten wieder erweckt. Diese wundersamen Ereignisse lassen sich nicht verheimlichen und dringen an die breite Öffentlichkeit. Diese feiert Shay Bourne schon bald als den neuen Messias, was uns zum grossen Thema dieses Romans bringt – Religion.
Was, Religion? Werdet ihr jetzt denken, wie kommt sie denn dadrauf? Ja, der Klappentext und die Buchbeschreibung des Verlags lassen überhaupt nicht auf dieses Thema schliessen. Und das finde ich nicht gut. Religion ist immer ein heikles, emotionales Thema und da möchte ich mich doch irgendwie darauf einstellen können. Oder zumindest wissen, dass mich dieses Thema erwarten könnte.

In ihrem Roman stellt Jodi Picoult grundsätzlich interessante Fragen zur Entstehung der Bibel. Wie fanden die vier Evangelien den Weg in dieses Buch? Wie wurden die Bücher von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes ausgewählt, wo doch noch eine Vielzahl ähnlicher Werke existierten? Picoult sagt, dass die vier Evangelien erst einige Jahre nach ihrer Entstehung aus einer Reihe von Schriften für das neue Testament ausgewählt wurden. Andere Texte und Schriften wurden dagegen unter Verschluss gehalten oder gar verketzert. Das führt zu einer ganzen Reihe philosophischer Diskussionen der Figuren, die ich ehrlich gesagt ganz gerne verfolgt habe. Allerdings blieb das Ganze doch sehr eindimensional, so wurden Gegenargumente nur ganz kurz angeschnitten oder im Keim erstickt.
Zu viele komplexe Themen
Das mag wohl auch damit zusammen hängen, dass in Das Herz ihrer Tochter eine vielzahl an komplexen Themen behandelt werden. Jedes einzelne hätte wohl ein ganzes Buch zu füllen vermögen.
So geht es um das Dafür und Wider der Todesstrafe und um die Schuld der Geschworenen. So ganz nebenbei erfährt man auch, wie eine Herztransplantation durchgeführt wird, wie lange es wirklich dauert, bis ein Mensch stirbt und unter welchen Bedingungen dessen Organe entnommen werden können. Alles Themen, die ganze Bücher füllen können und für sich genommen erstens spannend genug wären und zweitens wesentlich ausführlicher und tiefgreifender behandelt werden könnten. So bleiben die Gedankengänge oft an der Oberfläche und andere Meinungen und Gegenstimmen kommen nur sehr knapp zum Zug.
Gewisse Dinge werden auch einfach gar nicht erklärt oder aufgelöst. Oder warum passt das Herz eines erwachsenen Mannes in eine Kinderbrust? Da besteht doch wohl ein Grössenunterschied.
Und auch der Prozess, in dem Shay zum Tode verurteilt wurde, wirft so einige Fragen auf, scheint doch arg schlampig ermittelt worden zu sein. Shays Schuld wurde jedenfalls nie zweifelsfrei bewiesen und doch wird er zum Tode verurteilt. Da sträubt sich mein ganzer Gerechtigkeitssinn dagegen.
»Wir machten denselben Fehler, Shay und ich. Wir glaubten beide, ein früheres Unrecht liesse sich durch eine spätere gute Tat wiedergutmachen. Aber wenn er Claire Nealon sein Herz gab, wurde ihre Schwester dadurch nicht wieder lebendig. Und dass ich Shay Bournes Seelsorger war, würde nicht die Tatsache aus der Welt schaffen, dass er auch meinetwegen in der Todeszelle sass.«
– S. 120

Fazit

Das Herz ihrer Tochter macht für mich den Eindruck einer Mogelpackung. Wer nämlich aufgrund des Klappentextes eine rührende, emotionale Geschichte erwartet, der wird enttäuscht. Es geht vielmehr um Themen wie Religion, Vergebung und Schuld. Es erwarten einem viele philosophische Diskussionen, so dass auch ab und zu ziemlich von der eigentlichen Geschichte abgeschweift wird. Mich konnte die Geschichte leider gar nicht abholen.
Weitere Meinungen
»Ein Buch mit einer interessanten Grundidee. Leider konnte Picoult dieses Mal nicht ihr Talent beweisen, welches sie sonst in ihren Büchern immer zum Ausdruck bringt. Aus der Idee hätte man um einiges mehr herausholen können. Das Thema Todesstrafe kam mir eindeutig zu kurz und hätte intensiver besprochen werden können.« – LeseBlick
»Das war leider gar nichts für mich und es ist sehr schade, dass Picoult ihr erzählerisches Talent so sehr verschwendet hat. Ohne den übernatürlichen Teil und mit einem konsistenteren Aufbau (vor allem im Bereich des Tathergangs und der Ermittlungen) hätte dieses Buch wirklich ein absolutes Highlight werden können.« – Samtpfote mit Krallen
»Ein Plädoyer für Vergebung und ein gehöriger Anstoß zur Diskussion der Todesstrafe.Leider hat Jodi Picoult mit einigen Themen gehörig übertrieben, das Buch schweift vom eigentlichen Inhalt ziemlich ab und man hat ständig das Gefühl, mit aller Gewalt bekehrt zu werden. Gewohnt gut geschrieben ist es auf jeden Fall, aber durch den seelsorgerischen Ansatz auch ziemlich langatmig.« – Literatopia
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Eine Antwort zu “Rezension | Das Herz ihrer Tochter – eine Mogelpackung”
[…] Das 2023 habe ich grad mit einer Leserunde gestartet. Zusammen mit ein paar Lesebuddys habe ich Das Herz ihrer Tochter von Jodi Picoult gelesen. Allerdings war das fast für alle aus unserer Gruppe ein ziemlicher […]
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