Rezension | In Aufruhr – Inga Vesper

In Aufruhr | Inga Vesper | aus dem Englischen von Katharina Naumann und Silke Jellinghaus | Kindler Verlag | April 2021 | 384 Seiten

»Die Sklaverei ist abgeschafft, sagen sie, die Rassentrennung auch. Aber bekommst du einen Krankenwagen für deine Mutter? Gibt es hier gemischte Schulen? Siehst du schwarze Männer mit Krawatten und Karrieren ins Büro gehen? Hä? Siehst du das?«

– S.50

Auf Instagram entdeckt und spontan für den Urlaub auf den eReader geladen, habe ich dieses Buch in nicht einmal zwei Tagen durchgelesen. Die Geschichte ist süffig und spannend und lässt sich einfach mal so an einem Nachmittag lesen. Denn auch wenn es vordergründig um den Kriminalfall geht, so blitzen zwischen den Zeilen immer wieder Themen wie Alltagsrassimus, Feminismus oder Mitmenschlichkeit auf.

Es ist der Sommer 1959 in Sunnylakes, Santa Monica, Kalifornien. Die Sonne brennt heiss auf den Asphalt, perfekt getrimmte und bewässerte Rasen rahmen die blauglitzernden Swimmingpools ein. Die kleine, heile Welt der privilegierten Familien scheint perfekt. Aber an einem dieser Sommertage verschwindet Joyce Haney aus ihrem Haus und hinterlässt nicht nur zwei verstörte Kleinkinder, sondern auch eine Blutlache in der Küche.
Detective Mick Blanke wird mit dem Fall betraut, findet aber keinen Ansatzpunkt für seine Ermittlungen. Während die Nachbarn Suchtrupps organisieren, ahnt die Haushaltshilfe Ruby Wright was passiert sein könnte. Doch Ruby stammt aus South Central und dort ist die Polizei eher Teil des Problems als der Lösung. Trotzdem entschliesst sie sich dazu, Mick zu helfen und bringt damit vor allem sich selbst in Gefahr.

Die perfekte Welt bröckelt

Inga Vespers Debüt überzeugt. Auf den ersten Blick scheint die heile kleine Welt der Haneys perfekt, perfektes Haus, perfekte Kinder und ein perfektes Ehepaar. Das perfekte 50er Jahre Vorstadtleben. Aber wie so oft täuscht dieser Eindruck und hinter der Fassade tut sich eine Welt voller Abhängigkeiten, Lügen und dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben auf. Joyce ist nicht glücklich in ihrem so perfekt erscheinenden Leben und fühlt sich von ihrer Rolle erdrückt. Bis sie schlussendlich verschwindet.

Und dieses Verschwinden stellt alle vor ein Rätsel. Als erste entdeckt nämlich die Haushalthilfe Ruby, dass Joyce weg ist und macht sich damit gleich zur ersten Verdächtigen. Ruby kommt nämlich aus dem Problemviertel South Central und hat auch noch die falsche Hautfarbe.
Detective Blanke hält sie zwar für unschuldig, findet aber auch keinen weiteren Anhaltspunkt, was wirklich passiert sein könnte.

»Gestern habe ich meinen Mann zum letzten Mal geküsst. Natürlich weiß er das nicht. Noch nicht. Tatsächlich kann ich es selbst kaum glauben. Aber als ich heute Morgen aufwachte, wusste ich, dass es so ist.«

– S.6

Krasse Gegensätze

Die krassen Gegensätze in diesem Buch schmerzen. Rubys Welt ist von Angst und Unterdrückung bestimmt, sie muss aufpassen, wo im Bus sie sich hinsetzt, und geht sie auf dem Weg zur Arbeit durch das weisse Viertel Sunnylakes wird jeder ihrer Schritte aufs genauste überwacht. Verstohlen, hinter den Vorhängen und äusserst misstrauisch. Der Rassismus geht Ende der 50er Jahre tief und äusserst sich in tausenden, kleinen, alltäglichen Begebenheiten.
Im Gegensatz dazu steht die weisse, wohlhabende Gemeinschaft in Sunnylakes, die Ehemänner mit ihren gutbezahlten Jobs und den teuren Autos und die Frauen mit ihren manikürten Fingernägeln und der eleganten Kleidung.

Ruby weiss mehr über die Bewohner dieser schicken Gegend, als ihnen wohl lieb sein könnte. Da sie von allen gefliessentlich übersehen wird, macht sich auch kaum jemand die Mühe, etwas vor ihr zu verbergen. Und so ahnt sie, was an diesem Nachmittag wirklich passiert sein könnte. Detective Mick Blanke versucht sie zu überzeugen, mit ihm zusammen zu arbeiten und ihm zu verraten, was sie wirklich weiss. Aber damit begibt sich Ruby in Gefahr.

Fazit

In Aufruhr ist viel viel mehr als nur ein Kriminalroman. Vordergründig fesselt die Geschichte mit einem spannenden Plot um das Verschwinden von Joyce Haney. Doch zwischen den Zeilen verbergen sich Themen wie Rassismus, Feminismus und Abhängigkeit. Es geht um Toleranz, Wahrheit und Lüge, die Rolle der Frau in den 50er Jahren und um den Ausbruch aus dem sprichwörtlichen „goldenen Käfig“. In Aufruhr ist ein auf so vielen Ebenen spannendes Buch!

Weitere Meinungen

»Eine spannende Geschichte mit sozialkritischen Unterton, die leider heute nicht weniger aktuell ist als in den 50er Jahren!!«Buchstaplerei

»In Aufruhr ist ein klassischer Krimi in kalifornisch-sommerlichen Flair, welches sich flüssig und durchgängig spannend lesen lässt.«Eulenmatz liest

»Ein schlauer Krimi, der die strenge Fixierung auf ein Vorzeigedasein zu einem großartig bissigen Ende führt.«Bleisatz


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2 Antworten zu “Rezension | In Aufruhr – Inga Vesper”

  1. Liebe Daniela

    Ich habe dieses Buch erst bei dir entdeckt und du hast mich gleich neugierig gemacht. Kriminalromane lese ich aktuell so oder so sehr gerne und deshalb werde ich mir das Buch einmal näher ansehen.

    Alles Liebe
    Livia

    Gefällt 1 Person

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