Simone Lappert | Der Sprung | August 2019 | Diogenes | 332 Seiten
»Dass diese Stadt, die er doch eigentlich verlassen wollte, ihn noch überraschte mit einer Frau, die ihn dazu brachte, um acht in der Früh Plastikzahnputzbecher durch die Wohnung zu werfen, nur um ein paar wache Minuten mehr mit ihr zu haben, damit hatte er nicht gerechnet. Und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder ärgern oder wundern sollte.«
– S. 82
Manu steht auf dem Dach und weigert sich herunter zu kommen oder mit jemandem zu sprechen. Was geht in ihr vor? Möchte sie vielleicht springen? Vorsichtshalber riegelt die Polizei das Gebäude ab. Vor dem Haus versammeln sich etliche Schaulustige, die johlen, ihr Händy zücken und die junge Frau anspornen endlich zu springen. Ihr Freund, die Schwester, ein Polizist und ganz viele weitere Menschen werden dadurch aus ihrem Alltag geworfen. Einige verlieren den Halt, andere entdecken einen bisher nicht gekannte Freiheit.
Ich glaube, ich habe es mir selbst nicht leicht gemacht mit Der Sprung, denn die Geschichte wird auf spezielle Art und Weise erzählt. Und für diese spezielle Art benötigt man (oder ich) vor allem eines: Zeit, um mehrere Kapitel am Stück zu lesen. Und das war grad zu Beginn der Lektüre meine Schwierigkeit. Ich habe das Buch in einer Zeit begonnen zu lesen, in der ich mich nicht so richtig auf die Geschichte einlassen konnte. Das führte dazu, dass ich zwar immer mal wieder ein Kapitelchen gelesen habe, allerdings auch schnell den Überblick über die vielen Figuren verlor. Das machte es mir echt schwer, in die Geschichte zu finden und den Zauber der Erzählung zu spüren. Erst im letzten Drittel, als ich endlich die Muse und Zeit hatte, vermochte ich mich auf die Charaktere einzulassen. So konnte mich dann auch die Geschichte gefangen nehmen.
Denn genau diese vielen Figuren machen das Buch so speziell und einzigartig. Neben der Geschichte von Manu auf dem Dach wird so noch eine ganze Reihe weiterer Geschichten erzählt, von Menschen, die ihr mehr oder weniger Nahe stehen. In diesen Geschichten geht es um die alltäglichen kleinen Kämpfe, um Verluste, aufgegebene Träume oder neue Zukunftspläne. Es geht in diesem Buch also nicht nur um diesen einen grossen Sprung, der alles beenden soll, sondern vielmehr um ganz viele kleine Sprünge mitten ins Leben.
»Nie wollte sie in den Tod springen. Immer nur ins Leben.«
– S. 331
Die einzige, die in diesen vielen Erzählstimmen etwas verschwindet ist Manu selbst. Manchmal geht fast ein bisschen unter, dass sie ja noch da oben auf dem Dach steht und Ziegel runter schmeisst. Und das obwohl sich alle Geschichten rund um sie entfalten. Über das ganze Buch hinweg bleiben ihre Gedanken und Beweggründe im Dunkeln. Erst auf den letzten zwei Seiten wird uns ein Blick in ihr Inneres gewährt und rundet die Geschichte ab.
Fazit
Der Sprung ist ein sehr feinfühliges und klug erzähltes Buch. Durch die vielen Erzählperspektiven und Geschichten in der Geschichte erfahren wir von ganz vielen kleinen (und grösseren) Geheimnissen und Wendepunkten im Leben der Protagonisten. So kann sich beinahe jeder irgendwie in diesem Buch wiederfinden.
Für Der Sprung sollte man sich allerdings ein bisschen Zeit und Muse einplanen, damit die Protagonisten und Geschichten nicht durcheinander geraten. Wenn man das schafft, erwartet einem Lesegenuss pur.
Weitere Meinungen
»Mich hat das Lesen von „Der Sprung“ sehr gut unterhalten und doch blieb nach der letzten Seite das Gefühl übrig, dass irgendetwas fehlt.« – Kateastrophy
»Schon verblüffend, mit welcher Routine und Tiefe Simone Lappert erzählt! Eine Autorin, die den Moment derart detailreich auffächern kann, die keine Nabelschau zelebriert, mich als Leser in ihrem Detailreichtum überzeugt und mich bis zum Schluss atemlos lesen lässt.« – Literaturblatt
»Ich bin sehr froh, dass ich dieses Kleinod entdeckt habe, das Buch ist eines meine Jahreshighlights, schon wegen der wunderbaren Sprache.« – Herzensbücher
Dieses Buch wurde mir vom Verlag als Leseexemplar zur Verfügung gestellt.
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Eine Antwort zu “Rezension | Der Sprung – mitten ins Leben”
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