Schweizer Buchpreis 2019 | Das gibt es zu entdecken

Wenn die Tage so langsam kürzer werden und sich die Blätter an den Bäumen beginnen zu verfärben, dann zieht nicht nur der Herbst ins Land, sondern es ist auch die Zeit der Buchpreise. Die Shortlist des Deutschen Buchpreises ist schon etwas länger in aller Munde und auch die Nominierten für den Schweizer Buchpreis können sich sehen lassen. Bereits zum zwölften Mal wird dieser Preis im Rahmen des Literaturfestivals BuchBasel verliehen.
Jetzt spanne ich euch aber nicht mehr länger auf die Folter. Das sind die fünf Nominierten des Schweizer Buchpreises.

Balg von Tabea Steiner, Edition Bücherlese

Der Traum vom Familienidyll auf dem Land erweist sich für Antonia und Chris als trügerisch. Der Alltag mit Kind ist anstrengender als erwartet und zu den Gefühlen von Isolation und Überforderung gesellt sich eine zunehmende Entfremdung. Das Paar trennt sich und Antonia sorgt fortan alleine für Timon. Sie droht im tristen, von Armut geprägten Alltag unterzugehen und kümmert sich nur halbherzig um ihren Sohn. Timon wehrt sich immer verzweifelter gegen diese Vernachlässigung, doch niemand erkennt den Hilferuf; Timon wird nur noch stärker ausgegrenzt. Einzig der ehemalige Lehrer Valentin, der sich im Dorf, wie Timon, zugleich eingeengt und ausgeschlossen fühlt, findet Zugang zu dem Jungen. Zwischen den beiden wächst ein fragiles Vertrauen, das von den Dorfbewohnern misstrauisch beäugt wird.
In einem kunstvollen Spiel der Perspektiven beleuchtet Tabea Steiner eindrücklich die schleichende Eskalation zwischen Timon und Antonia sowie die zögerliche Annäherung zwischen Valentin und Timon. In kurzen Szenen werden subtile Entwicklungsschritte präzise eingefangen. Jedes gesagte Wort, jede Geste zählt und das Ungesagte wiegt schwer. (Quelle: Edition Bücherlese)

Der Sprung von Simone Lappert, Diogenes Verlag

Dienstagmorgen in einer mittelgroßen Stadt. Manu, eine junge Frau in Gärtnerkleidung, steht auf dem Dach eines Mietshauses. Sie brüllt, tobt, wirft Gegenstände hinunter, vor die Füße der zahlreichen Schaulustigen, der Presse, der Feuerwehr. Die Polizei geht von einem Suizidversuch aus.
Einen Tag und eine Nacht lang hält die Stadt den Atem an. Für Finn, den Fahrradkurier, der sich erst vor kurzem in Manu verliebt hat, bleibt die Zeit stehen. Genau wie für ihre Schwester Astrid, die mitten im Wahlkampf steckt. Den Polizisten Felix, der Manu vom Dach holen soll. Die Schneiderin Maren, die nicht mehr in ihre Wohnung zurückkann. Für sie und sechs andere Menschen, deren Lebenslinien sich mit der von Manu kreuzen, ist danach nichts mehr wie zuvor.
Ein lebenspraller Roman über eine eigenwillige Frau und über die Schicksale, an denen wir voreingenommen oder nichtsahnend vorübergehen. Mit Esprit, Sinnlichkeit und Humor erzählt Simone Lappert vom fragilen Gleichgewicht unserer Gegenwart. (Quelle: Diogenes)

sbp19_3GRM – Brainfuck von Sibylle Berg, Kiepenheuer & Witsch

Die Brave New World findet in wenigen Jahren statt. Vielleicht hat sie auch schon begonnen. Jeden Tag wird ein anderes westliches Land autokratisch. Algorithmen, die den Menschen ersetzen, liegen als Drohung in der Luft. Großbritannien, wo der Kapitalismus einst erfunden wurde, hat ihn inzwischen perfektioniert. Aber vier Kinder spielen da nicht mit – sondern gegen die Regeln. Und das mit aller Konsequenz. Willkommen in der Welt von GRM.
Sibylle Bergs neuer Roman beginnt in Rochdale, UK, wo der Neoliberalismus besonders gründliche Arbeit geleistet hat. Die Helden: vier Kinder, die nichts anderes kennen als die Realität des gescheiterten Staates. Ihr Essen kommt von privaten Hilfswerken, ihre Eltern haben längst aufgegeben. Die Hoffnung, in die sie sich flüchten, ist Grime, kurz GRM. Grime ist die größte musikalische Revolution seit dem Punk. Grime bringt jeden Tag neue YouTube-Stars hervor, Grime liefert immer neue Role-Models.
Als die vier begreifen, dass es zu Hause keine Hoffnung für sie gibt, brechen sie nach London auf. Hier scheint sich das Versprechen der Zukunft eingelöst zu haben. Jeder, der sich einen Registrierungschip einpflanzen lässt, erhält ein wunderbares Grundeinkommen. Die Bevölkerung lebt in einer perfekten Überwachungsdiktatur. Auf der Straße bleibt nur der asoziale, vogelfreie Abschaum zurück. Die vier Kinder aber – die fast keine Kinder mehr sind –, versuchen außerhalb des Systems zu überleben. Sie starten ihre eigene Art der Revolution. (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

Die Nachkommende von Ivna Žic, Matthes & Seitz Verlag

Hochsommer. Eine junge Frau reist in einem Zug von Paris nach Kroatien, wo wie jeden Sommer die Familie auf der Großmutterinsel wartet. Sie denkt an den Mann, mit dem sie ein Jahr lang eine Beziehung führte, die nie wirklich anfangen konnte: Der Mann ist ein verheirateter Mann. Ein Maler, der nicht mehr malt. In den fahrenden Zug setzt sich der tote Großvater zu ihr. Auch er ein Maler, auch er hatte aufgehört zu malen. Die zwei abwesend-anwesenden Männer werden zu ihren Begleitern auf einer Reise in die Vergangenheit und die Erinnerung, aus der sich eine Familienerzählung konstituiert. Das Auswandern der Eltern kurz vor dem Krieg in Kroatien hat eine Unzahl von Bewegungen ausgelöst. Aufbrechen, Abbrechen, es scheint eine Familienneigung zu sein, die sich wiederholt, die in Frage gestellt wird. Im Spannungsfeld dieser geographischen und sprachlichen Verschiebungen, in diesen von Geschichte besetzten Räumen, erzählt Ivna Žic in ihrem Debütroman von einer beginnenden Suche, die zugleich das Jetzt und das Damals abtastet. (Quelle: Matthes & Seitz)

Unhaltbare Zustände von Alain Claude Sulzer, Galiani Verlag

Ein Roman über einen, der sich gegen den Wandel der Zeiten auflehnt und dabei ins Wanken gerät.
Zwei Tage sind sie hinter Papier versteckt, dann werden die sieben großen Schaufenster feierlich enthüllt – und lassen die Waren des alteingesessenen Quatre Saisons in neuem Glanz erstrahlen. Für diese Momente lebt und arbeitet Schaufensterdekorateur Stettler, und das schon mehrere Jahrzehnte. Nun, mit knapp sechzig, wird ihm überraschend ein jüngerer Kollege zur Seite gestellt – ein Rivale, ein avisierter Nachfolger, ein Feind!
Stettlers Welt beginnt zu bröckeln. Es ist das Jahr 1968, und es bröckelt auch sonst alles, die jungen Leute tragen Bluejeans und wissen nicht mehr, was sich gehört. Am Münsterturm hängt auf einmal eine Vietcong-Fahne. Stettler ist entsetzt. Immer mehr fühlt er sich bedroht, spioniert dem Rivalen sogar nach, sinnt auf Rache. Es ist auch ein zähes Ringen mit der Zeit und mit dem Alter, bei dem Stettler nur verlieren kann.
Allein mit einer von ihm bewunderten Radiopianistin, Lotte Zerbst, wechselt er Briefe und fühlt sich nicht so verloren. Er hofft sogar auf eine Begegnung … (Quelle: Galiani Verlag)

Wieder einmal wird es uns Leser*innen schwer gemacht, die fünf Nominierten könnten unterschiedlicher nicht sein. Zudem sind in diesem Jahr die Autorinnen sehr stark vertreten. Und ich höre die Stimmen jetzt schon, die diesen Umstand bejubeln und mutig finden, aber auch jene, die murren und sich beklagen, dass das ja schön und gut sei, aber bitte nicht diese Frauen. Aber wie sagt schon das Sprichwort „Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“ Darum geniessen wir doch einfach fünf spannende und bereichernde Bücher.
Welches Werk hat es euch grad spontan angetan?


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4 Antworten zu “Schweizer Buchpreis 2019 | Das gibt es zu entdecken”

  1. Liebe Daniela

    Super, dass du den Schweizer Buchpreis und die Bücher so schön vorstellst. Ich sollte mich auch ein wenig mehr dafür einsetzen, du hast schon recht, der geht immer unter neben dem Deutschen Buchpreis. Oft lese ich einfach zu wenig geplant und greife zu Büchern, die gar nichts mit den Themen zu tun haben, die gerade aktuell sind, was ja auch gut ist, aber da geht doch einiges unter und ich sollte vielleicht meine Verantwortung als Schweizerin ein wenig ernster nehmen ;-)

    Auch die ganzen Buchmessen im Herbst kommen für mich immer sehr ungünstig, da ich in der Regel ab Oktober bis Weihnachten jedes Wochenende arbeite und es manchmal ein wenig verschwitze, mir die Messetage freizuhalten oder manchmal auch schweren Herzens auch einfach ein tolles Projekt annehmen muss/kann/darf und dann die Messen wieder gestrichen sind. Aber vielleicht klappt es nächstes Jahr wenigstens einmal mit der Buch Basel oder so, ich würde es dir sagen, dann könnten wir gemeinsam gehen ;-)

    Alles Liebe an dich
    Livia

    Gefällt 1 Person

    • Ich versuche immer, mindestens ein Buch vom SBP zu lesen und auf dem Blog zu besprechen. Aber es ist schon so, meistens liest man doch das, wonach einem grad der Sinn steht. Ein nominiertes Buch vom letzten Jahr, wartet immer noch in meinem Regal auf seine Zeit.
      Die Buchmessen verschwitze ich auch regelmässig. Frankfurt liegt einfach immer in der Herbstferienzeit und da kann ich einfach nicht frei nehmen. Leipzig würde vielleicht mal drin liegen, aber eben, bei meiner Ferienplanung denke ich auch nie wirklich dran. Das mir der Buch Basel fände ich eine schöne Idee, da wäre ich sofort dabei!

      Grüessli, Daniela

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