Writing Friday | #2 – Ein Sommernachmittag

Der Writing Friday ist ein Projekt von Elizzy vom Blog Read Books and Fall in Love. Dabei gibt es für jeden Freitag im Monat ein Thema, zu dem man etwas schreiben darf. Was, kann jeder selbst entscheiden, ob Wahrheit oder Fiktion, lang, kurz, Lyrik oder Prosa — egal, hauptsache man schreibt. Inspiriert durch eine Montagsfrage versuche ich mein Bestes und schliesse mich diesem Projekt an. Bitte erwartet hier aber keine literarisch hochstehende Texte oder absolut tiefgründige Gedanken.
Die Themen für den Juli und die weiteren Teilnehmer findet ihr hier. Und auch ich habe es endlich wieder einmal geschafft, mitzumachen.

Writing Friday

Ein Nachmittag im Sommer

Schon seit Tagen wurde die Stadt mit Sonnenschein geradezu überflutet. Die Wiesen im Park waren schon ganz vertrocknet und braun und knirschten unter den Schuhen, wenn man darüber lief. Im Wald oder im Park ein Feuer entfachen durfte man schon länger nicht mehr, aber nun hörte Tobi im Radio, dass die Einwohner der Stadt gar dazu aufgefordert wurden, auch mit dem Wasser sparsam zu sein. Er stellte sich vor, wie alle mit staubigen Kleidern und unangenehm riechend in der Strassenbahn sitzen würden und musste bei dem Gedanke grinsen. Igitt!
»Hör auf so ungeduldig zu zappeln, du machst mir noch das ganze Geschirr kaputt!«, hörte Tobi seine Mutter aus der Küche rufen.
Er half ihr wie jeden Mittag beim Abwasch und Verräumen des Geschirrs und gerade eben hatte er wieder ein paar Teller laut klappernd in den Geschirrschrank geräumt. Er war aber auch zu aufgeregt, denn heute Nachmittag wollten Lukas und er zum Baggersee, alleine! Am liebsten wäre er ja grad nach dem Essen abgerauscht, aber seine Mutter bestand darauf, dass er zuerst seinen Pflichten nachkam, wie sie es nannte. Und nun zogen sich die Minuten wie Kaugummi in die Länge. Es kamen immer noch mehr Teller und Töpfe, die gewaschen und verräumt werden mussten zum Vorschein.

Als sich Tobi endlich aus dem Staub machen konnte, wartete Lukas bereits im Schatten der Hofeinfahrt. Auf den Gepäckträger seines Fahrrads hatte er neben der Picknickdecke auch ein grosses Marmeladenglas mit Löchern im Deckel geschnallt. Auf dem Weg zum Baggersee wollten sie noch einen kleinen Abstecher zu den Brennnesseln am Waldrand machen, dort gab es um diese Jahreszeit unzählige, lustig gepunktete Raupen. Die beiden Freunde wollten einige davon einsammeln und mit nach Hause nehmen, um zu schauen, wie sie sich verpuppten und zu wunderschönen Schmetterlingen wurden. Zusammen mit Herrn Fischer hatten sie dafür extra ein Aerarium aus alten Holzscheiten und Moskitonetzen gebaut und über die Brennnesselpflanzen im Garten von Tobi’s Eltern gestülpt.
Der Weg an den Waldrand war steil und auf der Schotterstrasse gab es keinen Schatten. Tobi und Lukas waren ganz schön verschwitzt und ausser Puste, als sie endlich die Brennnesseln mit den Raupen entdeckten. Die Stängel der Pflanzen waren schwarz und es wuselte nur so vor Leben. Die Raupen erinnerten Tobi an Zirkusartisten in lustigen schwarzen Kleidern mit weissen Punkten und Zotteln, die ihre Kunststücke probten. Da gab es jene, die Kopfüber von den Blättern hingen und wieder andere krabbelten übereinander. Lukas entdeckte gar eine Raupe, die sich nur mit ihren Hinterbeinen an den Stängel klammerte und mit den Vorderbeinchen in der Luft nach neuem Halt suchte.

So verging die Zeit wie im Fluge, immer wieder entdeckten die Jungs neue, grössere und wagemutigere Raupen. Dabei bemerkten sie gar nicht, wie sich der Himmel immer mehr verdunkelte. Erst als ein kräftiger Windstoss Lukas‘ Fahrrad umwehte, blickten die beiden auf.
»Das wird wohl nichts mit dem Baggersee«, meinte Tobi.
Lukas schüttelte lachend den Kopf: »So macht es doch erst richtig Spass!«
Rasch zupfte Tobi ein paar Raupen von den Stängeln und steckte sie ins Marmeladenglas, das Lukas ihm hin hielt. In der Ferne grollte bereits der Donner.
»Bist du sicher, dass wir jetzt zum Baggersee fahren sollten?«
»Ja komm! Das wird lustig!«
Die beiden Freunde schwangen sich auf ihre Fahrräder und liessen sich den Hügel runter rollen in Richtung Baggersee. Als sie am verwaisten Autoparkplatz vorbei fuhren, spürte Tobi bereits die ersten dicken Regentropfen. Und es dauerte nicht lange, da öffnete der Himmel seine Schleusen. Schwere Regentropfen prasselten nieder und im Nu war alles klitschnass, Wasser rann in kleinen Bächlein durch die Liegewiese und die Bäume liessen ihre Blätter hängen.
Tobi und Lukas waren die einzigen Menschen am Baggersee, niemand wollte während dieses Sommergewitters das Haus verlassen. Auch Tobi war etwas mulmig zu Mute. Sollte man bei einem Gewitter nicht besser drinnen sein? Und war es im Wald und am Wasser nicht gefährlich? Lukas aber hatte bereits sein Fahrrad an die Seitenwand des Toilettenhäuschens geschoben und entledigte sich seiner Kleider. Tobi tat es ihm gleich. Nur in Unterhosen rannten sie schliesslich ins Wasser. Ausgelassen tobten sie, spritzten sich nass und wetteten, wer wohl länger die Luft anhalten konnte. War das herrlich den See für sich alleine zu haben!

Doch plötzlich hörte Tobi, wie jemand verärgert ihre Namen rief. Erschrocken drehte er sich um. Lukas‘ Vater lud bereits ihre Fahrräder in den Kofferraum seines Autos und sein eigener Papa winkte ihnen energisch zu, sie sollten aus dem Wasser kommen. In seinen Händen hielt er zwei grosse, trockene Strandtücher.
»Was habt ihr euch nur dabei gedacht!? Wenn es gewittert, kommt ihr gefälligst nach Hause, ihr zwei Lausbuben!« Tobi’s Papa konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Energisch rubbelte er die zwei Jungs trocken und verfrachtete sie ins Auto.
Auf dem Heimweg durften sie sich eine Standpauke von Lukas‘ Vater anhören, der Forstwart war und ihnen allerlei gruselige Geschichten über Gewitter im Wald erzählte. Da war von Stromausfällen und umgestürzten Bäumen die Rede und einmal schlug gar der Blitz in einen Maschendrahtzaun ein. Tobi schmunzelte, immerhin hatten sie die Raupen für ihr Aerarium und wenn sie Glück hatten, konnten sie in ein paar Wochen die frisch geschlüpften Schmetterlinge bestaunen. Und dank des Gewitters dürfte sich hoffentlich auch das mit der Wasserknappheit erledigt haben und niemand musste stinkig Strassenbahn fahren.


Dieser Text entstand zur Aufgabe Schreibe eine Story, bei der folgende Wörter irgendwo darin auftauchen: Sonnenschein / ungeduldig / Kunststück / Raupe / Sommergewitter


Beim Hinterlassen eines Kommentars erklärt ihr euch damit einverstanden, dass Personenbezogene Daten wie eure IP-Adressen und ggf. der (Nutzer-) Name, die E-Mail Adresse und eure Website-Url erhoben und gespeichert werden..

11 Antworten zu “Writing Friday | #2 – Ein Sommernachmittag”

  1. Liebe Daniela,
    deine Geschichte gefällt mir sehr gut! Ich hatte schon Sorge, dass ein Blitz ins Wasser einschlägt, während sich die beiden Buben dort austoben und so gar nicht nachdenken! Ich habe früher auch Raupen gesammelt, um zu sehen, ob und wie sie sich verpuppen. Deine Geschichte hat mich daran erinnert. :-)

    Auch ich habe heute diese Aufabe gewählt. Mein BEITRAG Beitrag ist heute sehr kurz gefasst. Vielleicht gefällt er dir trotzdem. ;-)
    GlG, monerl

    Gefällt 1 Person

    • Vielen Dank, Monerl!

      Ui nein! Ich glaube, das könnte ich meinen beiden Jungs nicht antun, dafür sind sie mir doch zu sehr ans Herz gewachsen. :)
      Ich habe eben als Kind auch immer Schmetterlinsgraupen gesammelt und jetzt gerade habe ich Raupen vom Kohlweissling an der Kapuzinerkresse auf meinem Balkon. Da hat mich diese Geschichte ja quasi angelacht.

      Ich schau gleich mal bei dir vorbei!

      Grüessli, Daniela

      PS.: Ich habe vorhin bei dir vorbeigeschaut, weiss aber nicht, ob mein Kommentar auch durchgekommen ist … :(

      Like

  2. Hallo Daniela!
    Eine super süße Geschichte, es hat mir Spaß gemacht sie zu lesen. 😊
    Vor allem der Start in die Geschichte hat mir gefallen, das kam alles so wirklich herüber – vor allem, weil es ja momentan sowieso so heiß überall ist.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende🌞
    Lisa❤️

    Gefällt 1 Person

  3. Hallo Daniela,
    ein schöne Geschichte, die du da zu Papier gebracht hast. Ich fand sie wirklich toll und hatte viel Spass beim Lesen. Ich freue mich schon auf die nächsten Geschichten :)
    Auch finde ich deinen Blog echt schön, da bleibe ich gerne als Leserin.

    Liebe Grüße
    Isabel

    Gefällt 1 Person

    • Guten Abend Isabel

      Herzlichen Dank für die lieben Worte. Ich hoffe, ich finde bald mal wieder die Zeit, bei einem Writing Friday mitzumachen. :)

      Grüessli, Daniela

      Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..